Die Lehrperson meines Vertrauens

Tagungsrückblick

Wenn Kinder und Lehrpersonen mentalisieren, reduziert das Verhaltensprobleme und fördert den Lernerfolg in der Schule. Dieses Konzept hat in den letzten Jahren in der Heilpädagogik Fuss gefasst. Das zeigt die Herbsttagung der DGfE Kommission Psychoanalytische Pädagogik in Kooperation mit dem Symposium der Arbeitsgemeinschaft Psychodynamischer Professorinnen und Professoren und der Abschlusstagung des Netzwerkes Mentalisieren in Zürich.

Kontakt

Pierre-Carl Link Title Prof.

Position

Professor für Erziehung und Bildung im Feld sozio-emotionaler und psychomotorischer Entwicklung

Beziehung fördert Lernerfolg. Peter Fonagy verkörpert im Grunde genommen seinen eigenen Ansatz. Wenn der 72-jährige Psychologe vom University College London (UCL) spricht, fixiert er sein Gegenüber mit ruhigem Blick, strahlt ein unerschütterliches Grundvertrauen aus und formuliert so klar und verständlich, dass sich seine Worte mühelos einprägen. Sein Ansatz, den er in den 1990er Jahren mitbegründet und seither unermüdlich weiterentwickelt hat, ist das Mentalisieren. Fonagy bricht die Grundidee in seiner prägnanten Art auf einen Leitsatz herunter: «We are trusted, we are safe, we can learn.» Bezogen auf die Schule: Wenn ein Kind das Vertrauen der Lehrperson spürt, sich wirklich sicher und verstanden fühlt, dann ist es bereit zu lernen. Weil die Lehrperson eine vertrauenswürdige Quelle des Wissens ist. Fonagy verwendet dafür das Bild vom «epistemic super highway», wenn das Kind und die Lehrperson auf einer Wellenlänge sind. Das nachfolgende Interview wurde auf Englisch geführt, die Untertitel können auf Deutsch eingestellt werden. 

Interview mit Professor Peter Fonagy vom University College London (UCL)

Netzwerk Mentalisieren. Inzwischen ist das Konzept des Mentalisierens auch in der Pädagogik und Heilpädagogik angekommen. Federführend dabei ist das Netzwerk Mentalisieren, das 2025 sein 10-jähriges Jubiläum feiert. Wie sieht die Zwischenbilanz aus? «Das Netzwerk hat im Rahmen der Nachwuchsförderung eine neue Generation von Forschenden aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Grossbritannien hervorgebracht, die das Konzept nun in die Hochschulen tragen», sagt Pierre-Carl Link. Der HfH-Professor ist eine der treibenden Kräfte, die den verstehenden Ansatz auch in der Praxis der Heilpädagogik etablieren konnten – etwa wenn es darum geht, Verhaltensprobleme zu vermindern. Zu diesem Zweck wurden in den letzten Jahren verschiedene Trainings für Fachpersonen an den Hochschulen durchgeführt. Zudem ist die Arbeit inzwischen in einen Verein überführt worden, um unabhängiger von Drittmittelprojekten zu werden. Viele Erfolgsmeldungen also. An der Herbsttagung der DGfE-Kommission Psychoanalytische Pädagogik an der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik in Zürich trafen sich nun internationale Expertinnen und Experten zum fachlichen Austausch. Vier von ihnen äussern sich in Kurzstatements zur Relevanz des Mentalisierens: Stephan Gingelmaier (PH Ludwigsburg, tätig im Förderschwerpunkt sozial-emotionale Entwicklung), Peter Fonagy (Professor am University College London), Holger Kirsch (Hochschullehrer an der Evangelischen Hochschule in Darmstadt) und Marion Esser (ZAPPA Zentrum für Aus- und Fortbildung in Psychomotorischer Praxis Aucouturier in Bonn).

Kurzinterviews mit Fachpersonen zur Relevanz des Mentalisierens

Kleine, aber feine Studien. An der Tagung wurde klar: Nun muss eine neue Phase eingeläutet werden. In Zukunft wird es darum gehen, das Mentalisieren auch empirisch stärker zu untermauern. Darauf wies auch Stargast Peter Fonagy in seinem Vortrag hin. Es brauche nun eine Reihe von kleinen, aber feinen Studien, die die Effekte des Mentalisierens im Unterricht untersuchen. Das würde das Konzept stärker auf evidenzbasierte Füsse stellen. Und wohl auch ein Stück unabhängiger machen von charismatischen Vordenkern wie Peter Fonagy, der sich nun allmählich in den Ruhestand zurückziehen wird.

Die Fachveranstaltung «Having Teachers in Mind» – Können Schule und Lehrer:innenbildung ‹freudlos› sein?» der Kommission Psychoanalytische Pädagogik, Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaften fand am 13. und 14. September 2024 an der HfH statt. Sie wurde von Prof. Pierre-Carl Link geleitet. Kooperationspartnerin der Tagung waren u. a. Arbeitsgemeinschaft Psychodynamischer Professorinnen und Professoren (AGPPP), Robert Langnickel von der PH Luzern, Tillmann F. Kreuzer von der PH Freiburg, das Movetia-Projekt MentEd.ch – Bringing mentalisation-based education to Switzerland (022-1-CH01-IP-0046) und die Aebli-Näf-Stiftung.

Autoren: Dominik Gyseler, Dr., und Steff Aellig, Dr., HfH-Wissenschaftskommunikation, September 2024.