100 Jahre HfH auf einen Blick

Jubiläum 2024

Menschen mit Behinderung sollen die bestmögliche Bildung erhalten. Dafür setzt sich die Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik seit hundert Jahren ein. Der Rückblick zeigt die wichtigsten Meilensteine auf diesem Weg.

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Dominik Gyseler Titel Dr. phil.

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Senior Lecturer

Bildung für Alle als DNA. Die Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik ist ein Traditionshaus. Doch in welcher Tradition steht sie? Die Kurzantwort lautet: Bildung für Alle. Für Kinder mit einer Hör-, Seh- oder Körperbehinderung. Für Kinder aus benachteiligten Familien und solche mit Migrationshintergrund. Für jene in Kleinklassen, Sonderschulen oder mit Problemen in der Regelklasse. Dafür setzt sie sich nun seit hundert Jahren ein, das ist ihre DNA.

Zahlencode 50-30-20. Die etwas längere Antwort findet sich in ihrer Geschichte. Denn je nach gesellschaftlicher und schulischer Gemengelage standen andere Facetten einer Bildung für Alle im Fokus. So lassen sich drei Phasen unterscheiden, die man sich mit dem Zahlencode 50-30-20 merken kann:

  • In den ersten fünfzig Jahren standen Kinder im Zentrum, die von der Bildung ausgeschlossen wurden, also etwa solche mit einer schweren Behinderung. Für diese Gruppe mussten Bildungsangebote entwickelt werden.
  • In den nächsten dreissig Jahren, also etwas bis zur Jahrtausendwende, stand die schulische Integration im Zentrum: Wann immer möglich sollten Kinder mit heilpädagogischem Förderbedarf im Rahmen der Regelklasse gefördert werden.
  • Die vergangenen zwanzig Jahre wurden durch das Prinzip der Inklusion geprägt. Die leitende Frage ist: Wie schauen eine Gesellschaft und eine Schule aus, in der Kinder mit Problemlagen von Anfang an mitgedacht werden?

Die folgenden Meilensteine zeigen, wie die HPS und die HfH institutionell auf diese Herausforderungen reagiert haben.

  • 1919

    Der «Verband Heilpädagogisches Seminar Zürich» wird ins Leben gerufen. Ziel ist es, eine Ausbildungsstätte für heilpädagogische Lehrpersonen zu schaffen. Bisher gab es keine solche in der Schweiz.

  • 1924

    Das Heilpädagogische Seminar (HPS) wird gegründet. Leiter ist Heinrich Hanselmann, Pionier der Heilpädagogik. Hanselmann kann auch an der Universität lehren, das Fachgebiet bekommt klare Konturen.

  • 1930

    Heilpädagogik wird ein eigenständiges Fach an der Uni Zürich. Der wissenschaftliche Ritterschlag. Hanselmann entwickelt die Theorie der «Entwicklungshemmung», die am HPS gelehrt wird. Die Emanzipation von der Medizin beginnt.

  • 1939

    Die ethische Frage nach dem «besseren Erbgut» als heilpädagogische Massnahme wird auch am HPS intensiv diskutiert. Aus heutiger Sicht ist die Ablehnung anfänglich zu schwach: 1939 hält der Basler Eugeniker Anton Carl Brugger sogar das Referat der Hauptversammlung des Verbandes.

  • 1968

    Mit der Emeritierung von Paul Moor gelingt es nicht mehr, das HPS direkt mit dem Lehrstuhl an der Uni Zürich zu verbinden. Die Loslösung von Universität beginnt. Unter der Leitung von Fritz Schneeberger wird das HPS als eigenständiges, praxisbezogenes Seminar positioniert.

  • 1972

    Die Ausbildung wird neugestaltet. Ein heilpädagogisches Grundjahr plus eine einjährige «Spezialität» ist die Grundformel. Logopädie und PMT werden als solche positioniert und stärken den therapeutischen Zugang.

  • 1986

    Das HPS wird von einer privaten Ausbildungsstätte in ein öffentlich getragenes Angebot überführt. Es umfasst ein Konkordat mit vier Kantonen. Neben der Ausrichtung auf das einzelne Kind wird das System Schule zunehmend wichtiger.

  • 1989

    Erstmals wird mit Thomas Hagmann ein Rektor berufen, der nicht im Bereich der Heilpädagogik sozialisiert wurde. Das HPS wird stärker mit der Hochschulwelt vernetzt. Das Thema der schulischen Integration wird immer wichtiger.

  • 2001

    Die HfH wird eröffnet. Das Seminar wird in eine Hochschule überführt. Unter der Leitung von Urs Strasser wird der vierfache Leistungsauftrag konzipiert und verankert: Ausbildung, Weiterbildung, Forschung und Dienstleistungen.

  • 2008

    Die Rolle der Kantone wird verstärkt. Nach dem Wegfall der Bundesfinanzierung (IV) wird die HfH allein von 13 Kantonen und dem FL getragen. Die Hochschule setzt sich zum Ziel, ein überregionales Kompetenzzentrum für Heilpädagogik zu sein.

  • 2016

    Unter der Leitung von Barbara Fäh verfolgt die HfH konsequent eine Bildung für Alle. Im Rahmen der Reorganisation der Hochschule entwickeln thematische Institute die dafür nötigen Fachinhalte. Ziel ist es, Menschen mit Behinderung eine maximale gesellschaftliche Teilhabe und Lebensqualität zu ermöglichen.

Autoren: Dominik Gyseler, Dr. und Steff Aellig, Dr., HfH-Wissenschaftskommunikation