Kompetenzentwicklung, Flexibilisierung und Profilbildung als Zieldimensionen der neuen Curricula
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In ihrer Antrittsvorlesung vom 14. November 2023 gab Prof. Dr. Claudia Ziehbrunner, Leiterin Zentrum Ausbildung und Weiterbildung an der HfH, einen Überblick über die curricularen Entwicklungen an der HfH, aktuelle Modelle und Herausforderungen sowie mögliche Zukunftsszenarien.
Prof. Dr. Claudia Ziehbrunners persönlicher Werdegang ist durch eine Reihe von innovativen Projekten gekennzeichnet, die sie massgeblich mitgestaltet hat. Angefangen von der Leitung von Praxis begleiteten Studiengängen bis hin zur Entwicklung attraktiver Teilzeitprogramme wie Nova Flex mit einem Fokus auf selbstorganisiertem Lernen. Ihre jüngste Verantwortlichkeit als Leiterin des Zentrums Ausbildung und Weiterbildung an der HfH zeigt ihre Hingabe zur curricularen Gestaltung von Studiengängen.
Zieldimensionen
Im Hauptteil ihrer Antrittsvorlesung führte Claudia Ziehbrunner die Zuhörer:innen durch eine eingehende Analyse der curricularen Entwicklungen an der HfH. Zunächst stellte sie die Prämissen und Zieldimensionen vor, die den Curricula der neuen Generation zugrunde liegen. Claudia Ziehbrunner konzentrierte sich dabei auf die Prämisse der Kompetenzorientierung sowie die Zieldimensionen der Flexibilisierung und Profilbildung, um den Zuhörer:innen einen Einblick in die Struktur der neuen Curricula zu geben. Durch ausgewählte Beispiele verdeutlichte sie, wie die HfH-Curricula der neuen Generation gestaltet sind. Insbesondere hob sie die Bedeutung der Kompetenzentwicklung für Studierende und Lehrende hervor und erläuterte dies anhand des Konzepts des roten Fadens, der den Bildungsweg durchziehe. Gleichzeitig betrachtete sie die Herausforderungen des Studiengangmanagements in einem Umfeld flexibilisierter Studienangebote.
Im anschliessenden Teil der Vorlesung gab Claudia Ziehbrunner einen Überblick über den Zweck und die Ziele des neuen Zentrums Ausbildung und Weiterbildung, welches sie seit Juli 2023 leiten dürfe. Sie gewährte den Zuhörer:innen Einblicke in die geplanten curricularen und weiteren Entwicklungen. Ein wichtiger Fokus liege dabei auf den HfH-Curricula der neuen Generation, die seit der Implementierung der flexibilisierten Masterstudiengänge Schulische Heilpädagogik und Heilpädagogische Früherziehung im Herbstsemester 2020 kontinuierlich weiterentwickelt wurden. Diese neuen Curricula spiegeln die Grundprinzipien und Zielsetzungen wider, weisen jedoch Variationen in ihrer Ausgestaltung auf, um den verschiedenen Zielgruppen und unterschiedlichen Studierendenzahlen gerecht zu werden.
Die Zuhörer:innen erfuhren an Claudia Ziehbrunners Antrittsvorlesung, dass die HfH an der Ablösung der Curricula der Bachelorstudiengänge Logopädie und Psychomotoriktherapie im Herbstsemester 2024 arbeite, gefolgt vom Bachelorstudiengang Gebärdensprachdolmetschen im Herbstsemester 2025. Diese Curricula beruhen auf den gleichen Prinzipien, unterscheiden sich jedoch in ihrer Ausgestaltung und Zielgrösse erheblich. Die Unterschiede in der Studierendenzahl variieren stark, von grösseren Populationen im Master in Schulischer Heilpädagogik bis hin zu kleineren Gruppen in den Bachelorstudiengängen Logopädie und Psychomotoriktherapie.
Claudia Ziehbrunner erläuterte an ihrer Antrittsvorlesung detailliert die Prämissen und Zieldimensionen, die den Curricula an der HfH zugrunde liegen. Dabei verdeutlichte sie, dass die Prämissen als fester Orientierungsrahmen dienten, während die Zieldimensionen als kontinuierliche Variablen betrachtet werden sollten. Zum Beispiel sei Flexibilisierung kein absoluter Zustand, sondern vielmehr auf einem Kontinuum positioniert. Claudia Ziehbrunner betonte, dass es wichtig sei, diese Zieldimensionen als Streben nach einem Mehr zu verstehen, wobei stets ein Gegenpol existiere. Ein übermässiges Mass an Flexibilisierung könnte beispielsweise die Planung der Studienangebote destabilisieren oder das Budget überschreiten.
Bei der Vorstellung der Prämissen hob Claudia Ziehbrunner die Bedeutung der Interkantonalität, der Berufsbefähigung und der Nachhaltigkeit hervor. Als interkantonale Hochschule trage die HfH die Verantwortung, regionale Unterschiede und Anforderungen der 13 Trägerkantone plus Liechtenstein zu berücksichtigen. Dabei bilde der von HFKG, EDK und swissuniversities definierte Rahmen eine allgemeine Grundlage, während der Standort Zürich die Studierenden des Standortkantons begünstige. Claudia Ziehbrunner betonte zudem die Notwendigkeit, lokal verankerte oder ortsunabhängige Angebote zu schaffen, um den verschiedenen Bedürfnissen gerecht zu werden. Die Vielfalt der Trägerkantone erhöhe dabei die Komplexität dieses Anspruchs.
Kompetenzorientierung
Der Fokus der Antrittsvorlesung lag im Anschluss auf der detaillierten Betrachtung der Zieldimensionen. Mit der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen im Rahmen der Bologna-Reform wurden die Studienangebote an Hochschulen inhaltlich und didaktisch auf die Kompetenz- und Lernergebnisorientierung ausgerichtet. Ein grundlegender Aspekt dieser Ausrichtung ist die Kompetenzorientierung, die eine Neuorientierung der Lehrenden erfordert. Dabei steht der Erwerb von Kompetenzen im Umgang mit Problemstellungen im Zentrum des Lehransatzes. Dieser Ansatz gehe weg von einer reinen Wissensvermittlung und hin zu einem konstruktivistischen Verständnis des Lernens. Claudia Ziehbrunner betonte in ihrer Antrittsvorlesung, dass die Curricula der HfH bereits vor der Einführung der neuen Generation kompetenzorientiert ausgerichtet waren. Bei der Ablösung der Curricula habe man dennoch ein verstärktes Augenmerk auf die Prämisse der Kompetenzorientierung gelegt. Die neuen Curricula basierten auf überarbeiteten generischen Kompetenzprofilen, wie etwa das Kompetenzprofil des Masters Schulische Heilpädagogik mit insgesamt neun Professionskompetenzen, davon sechs Fach- und Methodenkompetenzen sowie drei Selbst- und Sozialkompetenzen. Diese Kompetenzen seien nicht isoliert zu betrachten, sondern vielmehr als integraler Bestandteil des Gesamtkompetenzprofils.
Des Weiteren führte Claudia Ziehbrunner die Einführung von Kompetenzniveaus in den Curricula der HfH an: Die Niveaus basierten auf der Expertiseforschung und repräsentieren verschiedene Stufen des Kompetenzerwerbs – von elementar über fortgeschritten bis hin zu exzellent. Sie seien generisch formuliert und auf alle beschriebenen Professionskompetenzen anwendbar. Auch die Dublin Deskriptoren würden als Instrument zur Erfassung von Kompetenz mehrdimensional eingesetzt. Sie gehen über das blosse Anwenden von Wissen hinaus und beziehen Urteilskraft, kommunikative Fertigkeiten und Selbstlernfähigkeit mit ein.
Flexibilisierung
Im Hinblick auf die Flexibilisierung, eine der Zieldimensionen, erläuterte Claudia Ziehbrunner, dass die Flexibilität der Curricula darauf abziele, den Studierenden zeitliche, räumliche und inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen zu bieten. Sie unterstrich an ihrer Antrittsvorlesung jedoch auch die Notwendigkeit eines stabilen Rahmens, selbst in einer flexibilisierten Umgebung. Prof. Dr. Claudia Ziehbrunner veranschaulichte die Umsetzung der Flexibilisierung in den Curricula mit Hilfe verschiedener Studienprogramme: Anhand eines prototypischen Studienprogramms im Master Schulische Heilpädagogik zeigte sie wie eine Studierende, die sich auf den Schwerpunkt Verhalten konzentriert und berufsbegleitend studiert, ihren Stundenplan gestalten kann. Durch Präsenzveranstaltungen an zwei festgelegten Tagen und einer individuellen Zeiteinteilung für begleitetes oder selbstorganisiertes Lernen könne die Studentin ihre Studienzeit flexibel anpassen. Claudia Ziehbrunner betonte, dass diese Flexibilisierung zunächst nur am Standort Zürich galt, mittlerweile aber auch an den dezentralen Standorten der Hochschulen in Graubünden und St. Gallen implementiert wurde, was auch eine örtliche Flexibilisierung ermöglicht.
Profilbildung
Die Zieldimension Profilbildung wurde ebenfalls beleuchtet, so erläuterte Claudia Ziehbrunner, dass sie nicht nur inhaltliche Flexibilisierung ermöglichen wolle, sondern auch das Ziel verfolge, den Studierenden Raum zu bieten, um ein spezifisches Profil für ihr zukünftiges Arbeitsfeld zu formen. Die Struktur des Studienangebots werde so konzipiert, dass es ein Überangebot an Modulen bereithält, die unterschiedliche Schwerpunkte ermöglichen. Zudem werden Module integriert, die es den Studierenden erlauben, spezifische Schwerpunkte durch kasuistische oder projektartige Zugänge zu setzen. Am Master Schulische Heilpädagogik wurde verdeutlicht, dass ein Grossteil des Studienangebots über die tatsächlichen Anforderungen hinausgeht, was den Studierenden ein breites Spektrum an Wahlmöglichkeiten bietet. Dabei ermöglicht der Pflichtanteil auch eine Binnendifferenzierung in der berufspraktischen Ausbildung, um den individuellen Interessen und beruflichen Schwerpunkten der Studierenden gerecht zu werden. Claudia Ziehbrunners detaillierte Erläuterungen zeigten die vielfältigen Möglichkeiten der Flexibilisierung und Profilbildung in den Curricula auf, die den Studierenden eine individuelle Gestaltung ihres Studiums entsprechend ihren beruflichen Interessen und Bedürfnissen ermöglichen.
Im Anschluss lenkte Claudia Ziehbrunner den Fokus auf die Möglichkeiten der Binnendifferenzierung in den Studienprogrammen, wie sie beispielsweise im Master Psychomotoriktherapie realisiert werden. Aufgrund der geringen Studierendenzahl sind hier Praxisprojekte essenziell, um individuelle Fragestellungen zu verfolgen und das Profil der Studierenden zu entwickeln. Im Bachelor Psychomotoriktherapie wird die Profilbildung als durchdringendes Element des gesamten Studiums konzipiert, das mit anderen Studienbereichen verknüpft ist. Dies unterstreicht die breite Bedeutung der Profilbildung.
Claudia Ziehbrunner führte die Zuhörer:innen anschliessend gedanklich zurück zu den Prämissen und Zieldimensionen – Kompetenzorientierung, Flexibilisierung und Profilbildung – und betonte, dass aus der Kombination dieser Aspekte spezifische Anforderungen an Studiengänge, Studierende und Lehrende hervorgehen. Insbesondere hob sie die Herausforderungen hervor, die sich aus der flexiblen Modulbelegung ergeben und wie diese zu einem kohärenten Gesamtbild des Studiums zusammengeführt werden können.
Des Weiteren thematisierte sie die Abkehr von festen Gruppenbildungen der Studierenden und die damit einhergehende freie Wahl der Studierenden, wann und wo sie sich in ein Modul einschreiben. Diese Herangehensweise werfe Fragen auf, wie Lehrende mit heterogenen Gruppen umgehen, wie Studierende ihre Studienplanung gestalten und welche organisatorischen Implikationen sich daraus ergeben. Claudia Ziehbrunner betonte, dass sie in diesem Stadium keine endgültigen Antworten auf diese Fragen präsentieren könne. Stattdessen wollte sie die Zuhörer:innen in die Entwicklungsüberlegungen miteinbeziehen und auf den Entwicklungsprozess eingehen, den sie und ihr Team verfolgen, um diesen spezifischen Anforderungen zu begegnen. Dieser partizipative Ansatz unterstreicht die komplexe Natur der aktuellen Herausforderungen in der Gestaltung von Studiengängen und verdeutlicht den fortlaufenden Entwicklungsprozess, der erforderlich ist, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden.
Claudia Ziehbrunner veranschaulichte die Komplexität eines modular aufgebauten, flexibilisierten Curriculums durch eine orientierende Meta-Struktur. Sie präsentierte einen Ausschnitt des Bachelorstudiengangs Logopädie, der sich in der letzten Entwicklungsphase vor der Umsetzung befindet. Hierbei beginnen die curricularen Überlegungen mit einem Fokus auf die Handlungspraxis im direkten beruflichen Umfeld. Diese Praxis bildet den Ausgangspunkt für komplexe Fragestellungen und Anforderungen, die in den einzelnen Gegenstandsbereichen – wie Sprache, Redefluss oder Stimme – der Fachpersonen relevant sind. Claudia Ziehbrunner betonte, dass die Orientierung im Curriculum weniger durch eine vorbestimmte Abfolge von progressiven Wissensbeständen entstehe, sondern vielmehr durch die wechselseitige Bezogenheit von Handlungs- und Professionswissen, basierend auf den in komplexen Handlungssituationen manifestierten Fragestellungen und Anforderungen.
Dynamische Modelle
Die heutige Hochschulbildung unterliegt einem Wandel. Die traditionelle Vorstellung von starren Lehrplänen und einer klaren Trennung zwischen Theorie und Praxis weicht zunehmend einem dynamischeren und anpassungsfähigeren Modell. In einem solchen evolutionären Prozess rücken die Studierenden in den Mittelpunkt des Lernens. Durch die Schaffung einer umfassenden Lernumgebung, die über digitale Plattformen jederzeit und von überall aus zugänglich ist, erhalten Studierende die Möglichkeit, ihr Professionswissen kontinuierlich zu vertiefen. Dabei orientiert sich die Ausgestaltung der Studienmodule an den individuellen Kompetenzniveaus und den Bedürfnissen der Studierenden. Ein zentraler Ansatz dieses neuen Bildungsmodells liegt in der kompetenzorientierten Ausdifferenzierung der Lehrinhalte. Die Handlungsbereiche wie Prävention, Diagnostik, Therapie und Beratung werden praxisnah konkretisiert, während Bezugswissenschaften und transversale Themen wie wissenschaftliches Arbeiten und die Theorie-Praxis-Relationierung ebenfalls in den Fokus gerückt werden.
Die Flexibilisierung des Curriculums ermöglicht es den Studierenden, ihren eigenen roten Faden im Studium zu entwickeln. Durch die Anleitung und Begleitung seitens der Lehrenden werden sie befähigt, in heterogenen Lerngruppen selbstgesteuert zu lernen und ihr Studium entsprechend ihren individuellen Zielen zu planen und zu gestalten. Das Lehrkonzept setzt verstärkt auf problemorientiertes, projektorientiertes und kollaboratives Lernen. Dies eröffnet den Studierenden die Möglichkeit, praxisnahe Fallbeispiele zu bearbeiten und ihre Problemlösekompetenz zu entwickeln. Dabei sei es essenziell, dass die Studierenden die Kompetenz zum Selbstmanagement erwerben, die von hoher Relevanz ist, so Claudia Ziehbrunner.
Die Rolle der Lehrenden wandelt sich von reinen Wissensvermittlern zu Begleitern und Unterstützern des individuellen Lernprozesses. Sie gestalten die Lehrinhalte und Lernumgebungen entsprechend, um eine effektive Kompetenzentwicklung der Studierenden zu ermöglichen. Trotz dieser Fortschritte stellen die Flexibilität und Autonomie im Studium eine Herausforderung dar, der sich viele Studierende gegenübersehen. Die Hochschulen investierten daher verstärkt in Studienberatung, Portfolioarbeit und die Gestaltung einer wegweisenden Lernumgebung, um Studierende in ihrem Lernprozess zu unterstützen und zu begleiten. In einem dynamischen Umfeld, in dem heterogene Gruppen von Studierenden miteinander lernen, sei es unerlässlich, einen stabilen Rahmen zu schaffen, der eine effektive Ausbildung und Weiterbildung gewährleiste. Dies erfordere eine enge Zusammenarbeit zwischen Studiengangsleitenden, dem Zentrum Ausbildung und Weiterbildung sowie der Hochschuladministration.
Das Zentrum Ausbildung und Weiterbildung spiele eine Schlüsselrolle bei der Sicherstellung der Qualität und Kontinuität in der Aus- und Weiterbildung. Durch die Entwicklung neuer Lehr- und Studiengänge sowie die Förderung von Innovation und hochschulübergreifender Kooperation leiste es einen bedeutenden Beitrag zur Professionalisierung der heilpädagogischen Fachkräfte, betonte Claudia Ziehbrunner an ihrer Antrittsvorlesung und bedankte sich bei den anwesenden Zuhörer:innen für die Aufmerksamkeit.
Autorin: Natalie Avanzino
Die Antrittsvorlesung fand unter dem Titel «Curricula der HfH: New Generation» am 14. November 2023 an der HfH statt und wurde online übertragen. Insgesamt nahmen rund 80 Personen teil. Im Anschluss fand ein Apéro statt.