Netzwerk «Inklusive Bildung an der Hochschule – stark3»

Kategorie Projekt

Ausgangslage und Ziele

Im Netzwerk «stark3» haben sich bisher knapp 300 Akteur:innen zusammengeschlossen, welche sich aus unterschiedlichen Perspektiven für eine inklusive Hochschule in der Schweiz engagieren und gewillt sind, diese weiterzuentwickeln. Darunter waren Institutionen von und für Menschen mit Beeinträchtigungen, Expert:innen aus Schweizer Hochschulen und aus der Volksschule sowie Vertreter:innen aus der Politik. Die drei im Projekt gebildeten Arbeitsgruppen «Expert:innen in eigener Sache», «Bildungsorte/Dozent:innen aus Hochschulen» und «Arbeitgeber:innen» haben die jährlichen Netzwerktreffen vorbereitet. Aus der gemeinsamen Arbeit im Netzwerk ist eine umfangreiche Publikation entstanden, welche die Perspektiven von Expert:innen in eigener Sache, von Hochschulangehörigen und Arbeitgeber:innen zusammenbringt. Mit den Argumenten und Leitfragen wird das in der UN-Behindertenrechtskonvention formulierte Recht auf lebenslanges Lernen präzisiert. Die Leitfragen unterstützen Hochschulangehörige und Arbeitgebende, den Prozess in Richtung inklusiver Hochschule aktiv zu gestalten.

Das Projekt war eine Kooperation mit dem Institut Unterstrass (PHZH) in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern (HSLU) und wurde im P-7 Programm «Diversität, Inklusion und Chancengerechtigkeit in der Hochschulentwicklung 2021 – 2024» von swissuniversities finanziell unterstützt.

Projektleitung

Cornelia Müller Bösch Titel Prof.

Funktion

Professorin für Bildung bei kognitiver Beeinträchtigung

Chantal Deuss Titel lic. rer. soc.

Funktion

Senior Consultant

Fakten

  • Dauer
    02.2021
    12.2024
  • Projektnummer
    3_31

Projektteam

Kooperationen

Finanzielle Unterstützung

Ausgangslage

Inklusion als systemischer Anspruch geht weit über die Schule hinaus (vgl. UN-Behindertenrechtskonvention). Inklusion leben heisst, mit Widersprüchen umgehen, ohne sie auflösen zu können. Inklusion an der Hochschule ist mit einigen Herausforderungen und Barrieren konfrontiert. Nach Cusack (2018) sind zwei Ansätze für die Gestaltung von inklusivem Hochschulunterricht zentral: Das Scaffolding (Van De Pol, Volman & Beishuizen, 2010) und das Universal Design for Learning (CAST, 2011). Im Projekt «écolsiv – Schule inklusiv» (Start 2017) des Instituts Unterstrass (PHZH) werden konkrete Erfahrungen zur Inklusion an Hochschulen gesammelt (Gubler & Müller Bösch, 2020). Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung werden auf eine pädagogische Tätigkeit im Arbeitsfeld Schule vorbereitet. Sie partizipieren zusammen mit Studierenden und Dozierenden an Ausbildungsmodulen und werden darin begleitet, ihren Platz als Mitarbeitende in der Schule zu finden. Auf der Grundlage der Erfahrungen und der Evaluation von «écolsiv» (Moser Opitz, Nesme & Seitz, 2021; Gubler & Labhart, 2021; Müller Bösch, 2021) sollten erste Erkenntnisse für andere Hochschulen nutzbar gemacht werden. An dieser Stelle setzte das Projekt «stark3» an, mit dem Ziel, ein Netzwerk zum Thema inklusive Bildung an Hochschulen aufzubauen. Dabei steht die Auslotung von Möglichkeiten und Grenzen der Inklusion von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung an Hochschulen im Zentrum, immer unter Berücksichtigung der drei zentralen Felder Menschen, Bildungsorte und Arbeitsorte.

Vorgehen und Fragestellungen

Mit «stark3» engagierten sich die am Netzwerk beteiligten Akteur:innen aktiv für die Weiterentwicklung einer inklusiven Hochschulkultur in der Schweiz. Im Zentrum des Projekts standen folgende Fragen, die in jährlichen Netzwerktreffen und in den zwei bis drei Arbeitsgruppentreffen pro Jahr in heterogenen Gruppen diskutiert wurden:

  • Warum soll sich die Hochschule für inklusive Bildung öffnen?
  • Welche Bedenken, Stolpersteine, welche Möglichkeiten und Chancen gibt es?
  • Was ist wichtig bei der Umsetzung von Programmen für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung an der Hochschule?
  • Welche Leitfragen für welche Personen und welche Qualitätsaspekte sind für die Umsetzung förderlich?

Ergebnisse

In den vier Projektjahren ist es gelungen, ein aktives Netzwerk aufzubauen, welches sich aus unterschiedlichen Perspektiven für eine inklusive Hochschule in der Schweiz einsetzt. Vier Netzwerktreffen «Inklusive Bildung an Hochschulen – stark3» wurden durchgeführt, drei an der HfH und eines an der HSLU. Im September 2024 diskutierten namhafte Gäste aus Politik und Hochschulen in einem Podiumsgespräch während des Netzwerktreffens über die Öffnung der Hochschulen für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung. Moderiert wurde das spannende Podium von einer Expert:in in eigener Sache, mit Marianne Binder-Keller (Ständerätin Kanton Aargau), Andreas Rieder, Dr. (Leiter EBGB), Matyas Sagi-Kiss (Vizepräsident Behindertenkonferenz Zürich), Franziska Felder, Prof. Dr. (Universität Zürich), Christoph Breier (Universität St. Gallen) und Lucien Le (Primarschule Luchswiesen, Zürich) als Podiumsgäste.

Das Netzwerk hat in der Projektlaufzeit Argumente und Qualitätsaspekte für die Öffnung der Hochschulen erarbeitet und unter dem Titel «Inklusive Bildung an der Hochschule. Argumente, Qualitätsaspekte und Leitfragen zur Öffnung der Hochschule für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung» veröffentlicht. Ausserdem ist es dem Netzwerk gelungen, das Thema Inklusion von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung an Hochschulen bei swissuniversities zu platzieren: Das Projektportrait «stark hoch 3» wurde im Abschlussbericht von swissuniversities «Diversität, Inklusion und Chancengerechtigkeit in der Hochschulentwicklung» Bericht zum Abschluss des Programms 2021–2024 (S. 10–11) publiziert.

Untertitel

Fazit

Der Aufbau des Netzwerks und damit die Weiterentwicklung in Richtung einer inklusiven Hochschule war erfolgreich und lieferte die Bestätigung dafür, dass die Idee des Projekts weitergeführt werden soll und muss. Letztlich gehe es um nichts weniger als die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, wie Marianne Binder-Keller, Ständerätin aus dem Kanton Aargau im Podium im September 2024 betonte.

Diese Punkte sind zentrale Ergebnisse für die Praxis:

  • Expert:innen in eigener Sache (hier Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung) müssen bei der Erarbeitung, Planung und Umsetzung von inklusiver Hochschulkultur beteiligt sein und dafür angemessen vergütet werden.
  • Die Argumente und Leitfragen, welche wir im Projekt erarbeitet haben, präzisieren das in der UN-Behindertenrechtskonvention formulierte Recht auf lebenslanges Lernen. Die Leitfragen unterstützen Hochschulangehörige und Arbeitgebende, den Prozess in Richtung inklusiver Hochschule zu gestalten.
  • Der Austausch zwischen verschiedenen Projekten in der Schweiz und in anderen Ländern ist wichtig, stärkt die Idee der inklusiven Hochschule und hilft dabei, Hindernissen gemeinsam zu begegnen. Deshalb muss dieser Austausch in spezifischen Netzwerken aktiv gefördert werden.

Das Netzwerk trifft sich weiterhin jährlich, mit dem Ziel, das Netzwerk zu festigen und die inklusive Bildung an der Hochschule voranzutreiben. Das lebenslange Lernen für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen soll auch an Hochschulen konkret ausgestaltet werden. Neue Mitglieder aus Schule- und Arbeitswelt sind immer willkommen. Schreiben Sie uns eine E-Mail an starkhochdrei [at] hfh.ch.

Aktuelle Informationen finden Sie auf der Website von «stark3».

Literatur

  • Center for Applied Special Technology [CAST] (2011). Universal Design for Learning Guidelines version 2.0. https://udlguidelines.cast.org [Zugriff am 26.05.2021].
  • Cusack, E.L. (2018). Overview of the Reach Program and process of modification of content. In S. Harter-Reiter, W. Plaute & R. Schneider-Reisinger (Hrsg.), Inklusive Hochschule. Diskursbausteine offener Hochschulbildung aus Theorie, Praxis und Forschung (S. 281–290). Innsbruck: Studienverlag.
  • écolsiv Portrait. https://www.youtube.com/watch?v=5-11x7tlYeA&list=PLiJ7LhnL8d_mdIorDvZwm… [Zugriff am 26.05.2021].
  • Gubler, M. & Labhart, D. (2021). Die Entwicklung von Haltungen und der Bereitschaft zur Umsetzung von Inklusion im Projekt écolsiv. In D. Labhart, C. Müller Bösch & M. Gubler (Hrsg.), écolsiv - Schule inklusiv. Ein Hochschulprogramm inklusiver Bildung. Bern: Edition SZH/CSPS.
  • Gubler, M. & Müller Bösch, C. (2020). Eine Schweizer Hochschule auf dem Weg zur Inklusion - Entwicklungsprojekt «écolsiv». In R. Schneider-Reisinger, M. Oberlechner (Hrsg.), Diversitätssensible PädagogInnenbildung in Forschung und Praxis: Utopien, Ansprüche und Herausforderungen. Wegmarken inklusiver Hochschulen. Leverkusen-Opladen: Budrich. S. 56–66.
  • Moser Opitz, E, Nesme, C. & Seitz, A. (2021). Assistenz mit pädagogischem Profil – Gestaltung des inklusiven Hochschulunterrichts und der berufspraktischen Ausbildung. In D. Labhart, C. Müller Bösch & M. Gubler (Hrsg.), écolsiv - Schule inklusiv. Ein Hochschulprogramm inklusiver Bildung. Bern: Edition SZH/CSPS.
  • Müller Bösch C., Gubler, M. & Labhart, D. (2021). Umsetzung inklusiver Hochschulprogramme. Erfahrungen aus dem Projekt écolsiv auf andere Hochschulen übertragen. In D. Labhart, C. Müller Bösch & M. Gubler (Hrsg.), écolsiv - Schule inklusiv. Ein Hochschulprogramm inklusiver Bildung. Bern: Edition SZH/CSPS.
  • Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Abgeschlossen in New York am 13. Dezember 2006. Von der Bundesversammlung genehmigt am 13. Dezember 2013. Beitrittsurkunde von der Schweiz hinterlegt am 15. April 2014. In Kraft getreten für die Schweiz am 15. Mai 2014. https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20122488/index.html#… [Zugriff am 26.05.2021].
  • Van De Pol, J., Volman, M. & Beishuizen, J. (2010). Scaffolding in teacher-student interaction: A decade of research. Educational Psychological Review, 22, 271–296.

Publikationen

  • Müller Bösch, C.
    Einblicke Projekt starkhochdrei – das Netzwerk Inklusive Bildung an der Hochschule.
    Online-Veranstaltung "Behinderung, Inklusion und Hochschule" zusammen mit Prof. Dr. Caroline Sahli Lozano und Prof. Dr. David Labhart, Netzwerk Forschung Sonderpädagogik SGBF, SZH,
    Online.
  • Deuss, C., & Müller Bösch, C.
    Netzwerk inklusive Bildung an der Hochschule – starkhochdrei.
    Forumsinterne Veranstaltung: Special Needs/Barrierefreie Hochschule in Zusammenarbeit mit Prof. Michele Mainardi, Laura Rusconi SUPSI,
    Online.
  • Le, L., & Müller Bösch, C.
    Inklusive Bildung.
    Jährliche Veranstaltung. Ausbildung HF Sozialpädagogik. Agogis,
    Zürich, Schweiz.
  • Labhart, D., Müller Bösch, C., & Gubler, M.
    Die Hochschulen öffnen für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung: Neue Wege der Inklusion an drei Zürcher Hochschulen
    [Konferenzvortrag].
    37. Jahrestagung der Inklusionsforscher:innen (IFO),
    Graz, Österreich.
  • Müller Bösch, C., Labhart, D., Michel, B., Deuss, C., Gubler, M., Studer, T., Strolz, S., Huwyler, L., Heuberger, R., & Raissig, C.
    Neue Wege inklusiver Hochschulbildung für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung
    [Konferenzvortrag].
    13. Schweizer Kongress für Heilpädagogik: Die BRK in der Schweiz: Bilanz und Perspektiven,
    Universität Freiburg.
  • Müller Bösch, C., & Michel, B.
    Lebenslanges Lernen an der Hochschule : Lernen im Kontext von kognitiver Beeinträchtigung
    [Konferenzvortrag].
    Konferenz der Lehrerenden der Geistigbehindertenpädagogik (KLGH) 2024,
    Ludwigsburg, Deutschland.
  • Müller Bösch, C., & Labhart, D.
    Neue Wege inklusiver Bildung an der Hochschule: Austausch im deutschsprachigen Raum.
    Online-Veranstaltung der Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik (HfH),
    Zürich, Schweiz.
  • Müller Bösch, C., Manser, R., Linggi, C., & Crivelli, C.
    Fachstelle Bildung bei kognitiver und komplexer Beeinträchtigung (HfH) in Kooperation mit Mensch zuerst: Marktstand.
    Forum Schulführung 2024: Teilhabe im Fokus – Vielfalt als Chance, VSA,
    Volkshaus Zürich.
  • Müller Bösch, C., Le, L., & Le Kisdaroczi, C.
    (2024).
    Teilhabe im Bildungsprozess ermöglichen.
    Lernen konkret: Sonderpädagogischer Schwerpunkt Geistige Entwicklung,
    2/24,
    10–13.