Teletherapieangebote in der Therapie-Lehr-Praxis – Highlights und Grenzen
Unser Service
L. betrachtet zu Hause auf dem iPad seine Therapeutin, die ihm die nächste Übung erläutert. Voller Freude holt er die Wasserfarben. Farbtropfen werden auf dem Papier verteilt und er bläst mit einem Röhrli Muster. So übt er spielerisch seine Atemstromlenkung. Die Mutter fotografiert die von L. stolz gezeigten Bilder und sendet sie den Therapeutinnen.
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Hochschulkommunikation
Eigentlich hätte er in der Therapie-Lehr-Praxis (TLP) bei zwei Logopädiestudierenden seine Sprachtherapie. Bedingt durch den Lockdown und die Schliessung von Schulen sowie Therapiestellen kann wie im gesamten Berufsfeld die Therapie nicht vor Ort stattfinden.
Die Umstellung auf digital gestützte Behandlungen in Form von Videosprechstunden bzw. Teletherapien erfolgte nicht in allen Fällen so positiv wie im oben beschriebenen Beispiel. Einige Eltern signalisierten klar, dass sie mit eigener Berufstätigkeit, Homeschooling und Haushalt mehr als ausgelastet sind und keine Fortsetzung der Therapie in digitaler Form wünschen. Bei anderen Familien scheiterte die Fortführung der Therapie im Fernmodus an sprachlichen Barrieren (nahezu keine Deutschkenntnisse) oder technischen Unzulänglichkeiten (kein PC, keine E-Mail). Auch war es inhaltlich leichter, bei Therapien, die schon länger stattfinden, digitale Anschlusslösungen zu kreieren.
Die TLP bietet vor allem in den Bereichen Frühtherapie und Stottern Therapien an. Die Fortsetzung der Therapie ohne Präsenz ist im Frühbereich (Kinder im Alter von 3–4 Jahren) stark von der Mitarbeit der Eltern abhängig. Die Vermittlung von therapeutischen Inhalten ohne direkte Interaktion kommt in der Arbeit mit dieser Altersgruppe an Grenzen. Im Bereich Stottern sind die Klienten hingegen deutlich älter. So betreuen wir auch einen jungen Mann mit Stottersymptomatik aus dem Basel-Land. Hier war distanzbedingt eh ein Mix von Intensiveinheiten mit Präsenz und fortlaufende Begleitung via Teletherapie geplant.
Die Therapie findet nun ausschliesslich via Teams statt. Unterstützend setzen wir hier die von der HfH entwickelte App STAN – Stottertherapie appintegrierte Nachsorge ein. Der Klient bekommt konkrete Aufgabenstellungen aus der App, die dann in Videobesprechungen besprochen und vorabgeübt werden. Hier weitet sich der digitale Einsatz in der Therapie um das intensivierte Üben zwischen den Therapieeinheiten aus. Dabei spielt die App eine ganz wichtige Rolle.
Unsere Erfahrungen ähneln stark den Rückmeldungen von KollegInnen im Berufsfeld. Teletherapie bedingt gewisse (technische) Rahmenbedingungen, ein kooperierendes Umfeld und einen gewissen Abklärungs- und Therapiestand. Sie ist nur bedingt bei allen Störungsbildern und Therapiebereichen sowie für alle Anspruchsgruppen der Logopädie sinnvoll und effizient. Direkte Anleitung von Techniken und differenzierte Übungsfeedbacks sind über Distanz nur begrenzt möglich. Teletherapie kann nicht die direkte Interaktion und Beziehungsarbeit ersetzen, die gerade in einer kommunikationsorientierten Sprachtherapie ein wesentlicher Wirkfaktor ist, erst recht zu Beginn einer Therapie. Sie ist grundsätzlich sinnig für einen Transfer in den Alltag als niederfrequente Methode. Wir sind hier am Beginn einer didaktischen Entwicklung und es bedarf noch Zeit und Überlegungen für eine vernünftige Konzeption. Nicht zu unterschätzen ist, dass eine qualitativ hochwertige Teletherapie Zeitressourcen für Vor- und Aufbereitung benötigt. Sie kann Entwicklungsimpulse setzen, die Eigenverantwortung für den Therapieerfolg stärken und ist in diesen besonderen Zeiten sicher eine Hilfestellung, aber keine Dauerlösung.
Autor: Wolfgang G. Braun, Prof., Dozent, HfH
HfHnews Mai 2020
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