Von der Person zur Profession

Reportage

In den letzten 25 Jahren wurde der Studiengang Psychomotoriktherapie in Zürich wissenschaftlich verankert, interdisziplinär aufgestellt und inklusiv ausgerichtet. Ein Rückblick.

Kontakt

Steff Aellig Titel Dr. phil.

Funktion

Senior Consultant

Dominik Gyseler Titel Dr. phil.

Funktion

Senior Lecturer

Interdisziplinäres Team. Die Entwicklung des Studiengangs PMT in der Deutschschweiz kann in zwei grosse Phasen unterteilt werden. In der ersten Phase hat ihn Suzanne Naville begründet und aufgebaut (1972–1996). Es war eine Pionierleistung der heute 90-jährigen Naville, die in einer eigenen Reportage aufgearbeitet wurde. In der zweiten Phase (ab 1996) wurde die Ausbildung in PMT von verschiedenen Personen geleitet. Geprägt wurde diese Zeit durch den Übergang des Heilpädagogischen Seminars Zürich (HPS) in die Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik (HfH) im Jahr 2001. Ebenso einschneidend war aber ein Wechsel der Leitungskultur: Wo vorher eine Einzelperson federführend war, wurde die Weiterentwicklung des Studiengangs neu im Team vorangetrieben. Dieses umfasst die jeweilige Leitung sowie Dozierende aus Psychomotorik, Erziehungswissenschaften, Sonderpädagogik, Psychologie, Kinderpsychotherapie und Sportwissenschaften.

Psychologie und Spiel. Susanne Amft leitete den Studiengang ab 1996. Sie schärfte das Verhältnis der PMT zur Bezugsdisziplin der Psychologie. Sozio-emotionale Auffälligkeiten von Kindern rückten noch stärker in den Fokus, wobei das Spektrum von ADHS und Aggressionen bis hin zu Schüchternheit und Angststörungen reichte. Um den besonderen Bedürfnissen dieser Kinder gerecht zu werden, musste das therapeutische Angebot systematisch erweitert werden. So wurde in der Praxis das Arbeitsmittel des Spiels forciert. Beispiele dafür waren erlebnisorientierte Methoden wie das Rollenspiel, das freie und selbstbestimmte Spiel, therapeutische Geschichten erzählen, erfinden und spielen. Somit wurde der schon immer wichtige spielerische Zugang der PMT in verschiedenen Modulen und mit unterschiedlichen Dozierenden vertieft.

Forschung und Inklusion. Integration vor Separation – das waren die bildungspolitischen Leitideen zu Beginn der 2000er Jahre. Martin Vetter rückt deshalb als Leiter des Studienganges PMT ab 2005 das psychomotorische Arbeiten mit grossen Gruppen ins Zentrum. Die Ziele der Prävention und Integration wurden später sogar Teil des Berufsbildes. Als Forscher stand für Vetter die Überprüfung der Wirksamkeit der PMT weit oben in der Agenda. In der Studie «Integrativ und präventiv ausgerichtete grafomotorische Förderkonzeption (G-FIPPS)» liefen alle diese thematischen Fäden zusammen. Dort konnte das Forschungsteam um Martin Vetter zeigen, dass Projekte innerhalb der Schule und mit allen Kindern im Fachgebiet Psychomotorik sinnvoll und umsetzbar sind. Warum gerade dieses Projekt so wichtig war und welchen Brand er zu Beginn seiner Leitung löschen musste, erzählt Martin Vetter im folgenden Video-Interview:

Video-Interview mit Martin Vetter, ehemaliger Studiengangleiter Bachelor Psychomotoriktherapie

Kindliche Entwicklung und Ausbildung. Diese Erkenntnisse rund um die kindliche Entwicklung mussten nun auch Eingang in die Lehre finden. Die systematische Weiterentwicklung des Curriculums war ein Schwerpunkt von Beatrice Uehli, die den Studiengang von 2008 bis 2017 leitete. Einen Fokus legte sie dabei auf die Bedeutung der sozial-emotionalen Entwicklung des Kindes für die PMT. Mit ihr wurde der systematische bio-psycho-soziale Zugang zum wichtigen Erklärungsmodell für kindliche Entwicklungsstörungen und gehörte fortan zur Grundkompetenz der Studierenden. Und dieses Wissen zur sozial-emotionalen Entwicklung sollte nicht auf die Ausbildung beschränkt werden: Zusammen mit Susanne Amft und Susan C.A. Burkhardt gab sie 2021 das Buch «Schüchterne und sozial ängstliche Kinder in der Schule» heraus.

Reorganisation. 2017 stelllt sich die HfH neu auf. Die PMT wird im Institut für Verhalten, sozio-emotionale und psychomotorische Entwicklungsförderung verankert. Es ist eines von fünf neuen Instituten, welche unter anderem das Ziel haben, Befunde aus der Forschung noch systematischer in die Ausbildung einfliessen zu lassen – ein wichtiger Pfeiler der Professionalisierung. Die Leitung des Studiengangs wird ab 2017 zuerst von Ursina Degen, dann in wechselnder Co-Leitung von Iris Bräuninger, Myrtha Häusler und Olivia Gasser übernommen. Dabei bleibt der rote Faden stets gespannt: Die enge Verknüpfung zwischen praxisrelevanter Forschung und Ausbildung.

Master PMT. Der Rückblick zeigt: Die Geschichte der PMT in Zürich ist eine Geschichte der Professionalisierung. Und ein nächster Meilenstein steht bevor: Ab 2023 wird ein konsekutiver Master in Psychomotoriktherapie angeboten. Er umfasst einen berufsbefähigenden Bachelorstudiengang und einen spezialisierten Masterstudiengang in Psychomotoriktherapie und soll die Verzahnung von Praxis, Theorie und Forschung weiter vorantreiben.

Autoren: Dominik Gyseler, Dr. und Steff Aellig, Dr., HfH-Wissenschaftskommunikation