Visionen für Menschen mit Sehbehinderung

Antrittsvorlesung

Wer nicht oder kaum sehen kann, erlebt erstmal Einschränkungen. Die Förderung sollte jedoch vermehrt die Möglichkeiten in den Fokus rücken, wie in der Antrittsvorlesung von Fabian Winter deutlich wurde.

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Fabian Winter Titel Prof. Dr.

Funktion

Professor für Bildung bei Beeinträchtigung des Sehens

Fabian Winter weilte als Doktorand im kanadischen Vancouver, als ihm ein Verkehrsschild ins Auge stach, das auf «Vision limited» hinwies, also auf eine eingeschränkte Sicht auf der folgenden Route. Spontan machte er ein Foto – welches ihm nun als symbolischer Einstieg in seine Antrittsvorlesung diente.

Vision. In deren Titel «Vision (un)limited: Der Förderschwerpunkt Sehen im Wandel» ist bereits die Grundidee zu erkennen, die Fabian Winter im Vortrag systematisch entfaltete. «Vision ist doppeldeutig», führte der Professor für Bildung bei Beeinträchtigung des Sehens aus. Auf Deutsch sei es die Zukunftsvorstellung, wenn man es hingegen englisch ausspreche, das Sehvermögen. Diese Fähigkeit ist bei Menschen mit einer Sehbehinderung beeinträchtigt oder eben limitiert. Die Vision hingegen, was man mit einer guten Bildung bei Beeinträchtigungen des Sehens alles erreichen kann, kennt fast keine Grenzen. Die grosse Herausforderung der Heilpädagogik besteht darin, in diesem Spannungsfeld Brücken zu schlagen, von den Einschränkungen zu den Möglichkeiten.

Frage des Angebots. Was das konkret heissen kann, hat Fabian Winter anhand einiger Beispiele verdeutlicht. Kann ein Kind kaum oder gar nicht sehen, kann das Sehen etwa durch Umweltgestaltung wie Vergrösserung von Schrift, Verbesserung von Kontrasten, Beleuchtung, Reduzierung der Komplexität und eine bewusste Platzierung im Sichtfeld verbessert werden. «Auch Freizeitgestaltung muss nicht zwangsläufig eingeschränkt sein», so Winter. Es gebe viele Möglichkeiten im sportlichen oder musikalischen Bereich. Es ist also auch eine Frage des Angebots – und dieses kann grundsätzlich unlimitiert gestaltet werden.

Duale Schriftnutzung. In einem inklusiv ausgerichteten Schulsystem verhält es sich ähnlich. Fabian Winter fordert eine ressourcenorientierte Perspektive und eine Erweiterung der Angebote für Lernende mit Blindheit und Sehbeeinträchtigung. Dabei spielen Technologien eine wichtige Schlüsselrolle. Der Computer dient bereits heute als Kommunikationsbrücke im gemeinsamen Unterricht. Am Monitor kann ein Text in Schwarzschrift sichtbar sein und auf der Braillezeile, einer Tastatur und Leseausgabe für Lernende mit Blindheit, kann der Inhalt in Brailleschrift taktil zugänglich gemacht werden. Als wichtiges Zukunftsthema benennt Winter noch die duale Schriftnutzung, «darunter versteht man die gleichzeitige Nutzung von Braille- und Schwarzschrift.» Zu diesem Thema hat er kürzlich ein Buch publiziert, welches kostenlos und öffentlich zugänglich ist. Zum Buch «Duale Schriftnutzung. Brailleschrift und Schwarzschrift»

Was Fabian Winter mit seiner Professorenstelle anstrebt und wie man sich den Einsatz von Technologie im Schulzimmer konkret vorstellen kann, erfahren Sie im folgenden Video-Interview.

Prof. Dr. Fabian Winter im Video-Interview

Die Veranstaltung fand am 30. August 2022 an der HfH statt und wurde online übertragen. Prof. Dr. Fabian Winter ist Professor am Institut für Behinderung und Partizipation.

Autoren: Dominik Gyseler, Dr. und Steff Aellig, Dr., HfH-Wissenschaftskommunikation