Rassismuskritisches Denken und Handeln
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Die HfH mit dem Anspruch «Bildung für Alle» muss sich auch mit dem Thema Rassismus auseinandersetzen. Ende Oktober 2023 fand der zweite Diversity Lunch Talk des Jahres 2023 online statt, 41 Teilnehmer:innen waren dabei.
Die beiden Referentinnen Gina Buonopane und Rahel Meteku aus Bern erläuterten, wie Rassismus in der Schweiz, häufig unbemerkt, strukturell und auch institutionell verankert ist. Dadurch werden nicht-weisse Personengruppen von Märkten, z. B. dem Arbeits-, Bildungs-, Wohnungs- und Heiratsmarkt ausgeschlossen.
Aufdeckung und Erklärung von Rassismus. Ein grosser Teil der Veranstaltung war der Aufdeckung und Erklärung, wie Rassismus oft de-thematisiert wird, gewidmet: Wenn beispielsweise jemand sagt «hey, was du da gerade gesagt hast, war rassistisch!», reagiert die angesprochene Person häufig mit Empörung und Unverständnis: «Was, ich bin doch nicht rassistisch? Rechtsextreme Menschen vielleicht, aber ich doch sicher nicht! Was fällt dir nur ein, so etwas zu sagen!». Durch diese Empörung gerät die eigentliche rassistische Aussage aus dem Fokus der Aufmerksamkeit und es wird empört erörtert, warum die Aussage eben nicht rassistisch wäre. Ebenso wird Rassismus häufig externalisiert und «kommt nicht hier, nicht bei mir und nicht jetzt» vor. Rassismus versteckt sich oft auch hinter dem Begriff «Kulturunterschiede». Dadurch, dass Rassismus lediglich dem rechtsextremen Rand zugeordnet wird, wird er im Alltag nicht als solcher erkannt oder er wird geleugnet oder man meint, es hätte ihn in der Vergangenheit gegeben, er sei nun aber inzwischen überwunden. All diese Abwehrmechanismen sind gut etabliert und machen es so schwierig, Rassismus wirklich zu thematisieren.
Was kann man tun? Die Referentinnen stellten das Modell von Ogette (2019) vor, das aus fünf Phasen besteht.
Modell von Ogette (2019)
- Phase 1: «Happyland»: Rassismus wird nicht bemerkt und geleugnet, gibt es nur woanders oder «früher mal», ist überwunden, wir können uns dessen glücklich schätzen.
- Phase 2: Abwehr: eigene Erfahrungen sind wichtiger («ich bin nicht rassistisch»), Erfahrungsberichte sind subjektiv und nicht realistisch (Hier wäre auch die o. g. Empörung zu verorten).
- Phase 3: Scham, sich schon einmal rassistisch geäussert zu haben, Scham (weisse:r) Schweizer:-in zu sein, schlechtes Gewissen - Phase 4: Schuld: Schuldgefühl, der weissen Mehrheit anzugehören
- Phase 5: Anerkennung: Die eigene rassistische Sozialisierung wird bewusst, Gespräche darüber helfen, diese zu erkennen und zu verändern.
Anerkennung von Rassismus. Der Kern bei der Bekämpfung von Rassismus ist also, überhaupt anzuerkennen, dass es ihn auch heute und hier in der Schweiz gibt. Solange er geleugnet wird, kann er ungehindert weiter bestehen und zementiert werden.
Vorurteilsfreie Pädagogik. Neben diesem Ablaufmodell ist der Anti-bias-Approach oder auch vorurteilsfreie Pädagogik ein wichtiges Modell in der Vorbeugung von Rassismus. Dieser geht davon aus, dass jeder Mensch Vorurteile hat und aufgrund von Stereotypen denkt und Entscheidungen trifft. Diese Vorurteile und Stereotypen gilt es, explizit zu machen und zu reflektieren. Dazu braucht es ein gewisses Mass an Reflexionsfähigkeit und -willen sowie die Bereitschaft zur Veränderung eigener Denk- und Verhaltensweisen. Im anschliessenden Prozess des Umdenkens werden diskriminierungsfreie Optionen und Verhaltensweisen erarbeitet und Menschen mit verschiedenen Hintergründen, Kulturen und Identitäten wertgeschätzt. Damit kann aktiv und explizit gegen Ungerechtigkeiten vorgegangen werden und Ungerechtigkeiten werden leichter als solche erkannt und verändert.
Für eine vorurteilsfreie Pädagogik ist es zudem wichtig, den Klassenraum, Lehr- und Lernmaterial wie Bücher und Lieder, die gesungen werden zu überprüfen: Können alle Kinder diese nutzen, ohne darin diskriminiert oder davon beschämt zu werden? Und darüber hinaus: Kommen Elemente von Vielfalt vor, die in der Klasse aktuell noch nicht vorkommen, z. B. Kinder im Rollstuhl?
Zum Abschluss stellten die Referentinnen dem Publikum des Diversity Lunch Talks drei Fragen:
- Was nimmst du persönlich aus dieser Veranstaltung mit?
- Was wirst du konkret beruflich und privat umsetzen?
- Was sind deine nächsten Schritte?
Auch den Leser:innen dieses Nachberichtes seien sie ans Herz gelegt.
Die Stabstelle Gleichstellung & Diversity wird das Thema weiterverfolgen und darauf zurückkommen, um die o. g. Prozesse der Sichtbarmachung von Rassismus und somit der Rassismusbekämpfung zu erleichtern und eine rassismus- und diskriminierungskritische Organisationskultur in der HfH zu unterstützen. Auch ist es möglich, eine Abschlussarbeit zu schreiben: Interessierte, die eine Bachelor- oder Masterarbeit im Thema Rassismus schreiben möchten, werden von den Mitarbeiterinnen der Stabstelle Gleichstellung und Diversity angeleitet und betreut, sie dürfen sich gerne melden.
Autorin: Susan C. A. Burkhardt, Dr. phil., Advanced Researcher, HfH
Literaturempfehlungen
Zum Lesen
- El-Maawi, Rahel, Owzar, Mani, Bur, Tilo, Attoun, Sherin. (2022). No to rasicsm: Grundlagen für eine rassismuskritische Schulkultur.
- Hasters, Alice. (2019). Was weisse Menschen nicht über Rassismus hören wollen: aber wissen sollten.
- Gümüsay, Kübra. (2021). Sprache und Sein.
- Ogette, Tupoka. (2022). Und jetzt du: Rassismuskritisch leben.
- Ogette, Tupoka. (2017). Exit RACISM: Rassismuskritisch denken lernen.
Zum Hören
- Eine online Podcast-Sammlung zu Rassismus & Identität.
Kinderbücher
- Vor.Bilder.Bücher - Sammlung von Kinder-und Jugendbücher mit BIPOC Protagonist*innen auf Instagram
Die Veranstaltungsreihe Diversity Lunch Talk der Stabsstelle Diversity und Gleichstellung ist öffentlich. Zweimal jährlich über Mittag bietet der Diversity Lunch Talk der HfH ein niederschwelliges Angebot zur Sensibilisierung von Student/-innen und Mitarbeiter/-innen sowie Interessierten aus dem Hochschulkontext. Namhafte Gäste nehmen aktuelle Themen auf, teilen ihre Erfahrungen und diskutieren diese mit dem Publikum. Die Ankündigung der nächsten Veranstaltung finden Sie in der Agenda auf der HfH-Website.
Links
Diversity und Gleichstellung
Leitfaden «Gender und Diversity in der Kommunikation»